Teil 8: Vedanta, Spirituelle Praxis

EINFÜHRUNG IN VEDANTA (RORY MACKAY)

Teil 8: Vedanta, Spirituelle Praxis und die Notwendigkeit eines qualifizierten Geistes

Es gibt ein gewisses Paradoxon im Vedanta, wenn es um die Frage der Notwendigkeit spiritueller Praktiken wie Meditation, Yoga und Selbsterforschung geht.

Auf der einen Seite erklärt die Lehre ganz eindeutig, dass das Selbst bereits verwirklicht ist - denn tatsächlich ist es die Essenz dessen, was du bist. Du kannst dich nicht „finden“, weil du du selbst BIST.

Wie ich im vorangegangenen Artikel geschrieben habe:

Erleuchtung ist nicht etwas, das du dir aneignen oder dir selbst hinzufügen musst.

Vedanta enthüllt, dass du bereits frei bist. Du bist bereits das Selbst, unsterblich, ewig und alles durchdringend. Dein Problem ist lediglich mangelndes Wissen darüber, wer du bist.

Daher ist es allein das Wissen, das dich befreit, indem es die Hindernisse beseitigt, die dich bisher an der Erkenntnis gehindert haben, dass Freiheit deine Natur ist.

Widerspricht das nicht der Notwendigkeit spiritueller Praxis? Die Antwort ist nicht einfach ein Ja oder ein Nein, wie wir noch sehen werden.


Das Problem ist Unwissenheit

Das Selbst ist kein Bewusstseinszustand, der erreicht werden kann. Wäre es ein 'Zustand', würde das Selbst vergänglich sein, denn jeder Zustand, der erreicht werden kann, kann auch wieder verloren gehen.

Das Selbst ist Bewusstsein selbst: das reine, ungeteilte, unkonditionierte Bewusstsein, in dem alle Zustände erfahren werden.

Der vorherige und der Artikel 'Was ist das Selbst? Vedanta und die Macht der Selbsterkenntnis' befassten sich mit der Natur des Selbst. Wir haben gesagt, dass Erleuchtung keine 'Errungenschaft' im eigentlichen Sinne ist. Sie ist die Beseitigung der Selbstignoranz.

Diese Selbstignoranz ist die eigentliche Wurzel von Samsara.

Samsara ist das existentielle Leiden, das aus der Suche nach Glück, Vollständigkeit und Sicherheit in der Welt der Objekte resultiert.

Wir haben das Problem als Unwissenheit erkannt. Die einzige Lösung für Unwissenheit ist Wissen. Wissen vertreibt Unwissenheit genauso wie die Sonne nächtliche Dunkelheit vertreibt. Um Wissen zu erwerben, muss man nur die geeigneten Mittel des Wissens finden und anwenden.

Für Selbsterkenntnis ist das Mittel der Erkenntnis Vedanta. Vedanta verfügt über eine Vielzahl von Prakriyas, Lehren/Unterweisungen, die der systematischen Beseitigung von Unwissenheit und dem Erlangen von Selbsterkenntnis dienen. Wir werden den dreistufigen Prozess der Unterweisung im nächsten Artikel untersuchen.

Vedanta funktioniert ein bisschen wie die Deinstallation eines alten Betriebssystems und die Installation eines neuen. Das alte Betriebssystem basierte auf Unwissenheit und hatte seinen Ursprung in der falschen Identifizierung des Selbst als den Körper-Geist-Sinnes-Komplex. Das neue Betriebssystem richtet deine Identität auf Gewahrsein aus. Dafür musst du nur deinen Verstand konsequent der Lehre aussetzen.

Alles ist von der Qualität deines Geistes/Gemüts abhängig.

Damit das allerdings funktioniert, musst du zuerst die Beschaffenheit deines Geistes betrachten.

So wie Samen nur auf einem fruchtbaren, vorbereiteten Feld wachsen können, können die Samen der Selbsterkenntnis nur in einem entsprechend reinen, stabilen und kontemplativen Geist keimen.

Wenn nicht darauf geachtet wird, ein beständiges, ruhiges Gemüt zu kultivieren, wird das Gemüt/der Geist immer zu seinem Standard zurückkehren. Im Fall des Samsari ist das ein Geist, der von hartnäckigen Begierden, Anhaftungen und Abneigungen beherrscht wird und der in gewohnter Weise weiterhin vergeblich nach Glück und Erfüllung in weltlichen Dingen strebt.

Für einen solchen Geist ist es unmöglich, Selbsterkenntnis zu verinnerlichen. Deshalb hat Vedanta für den Durchschnittsmenschen keine Bedeutung. Es braucht einen reifen und kultivierten Geist, um dieses Wissen zu schätzen, geschweige denn, es zu verwirklichen.

Ursprünglich war Vedanta für Yogis gedacht, also für Menschen mit einem sehr disziplinierten, verfeinerten, kristallklaren Geist.

Wenn der Schüler einen ausreichend reinen, sattvischen Geist aufweist, kann für die Befreiung das bloße Hören der Worte eines Lehrers genügen. Solche Menschen sind jedoch extrem selten - erst rechtin unserer heutigen chaotischen, Werte kompromittierten Gesellschaft mit all ihren Ablenkungen, Konflikten und alltäglichen Belastungen.


Qualifikationen sind unverzichtbar

Obwohl es auf der Welt viele Menschen gibt, die nach Erleuchtung suchen, wird nur eine kleine Anzahl von ihnen jemals ihr Ziel erreichen.

Ihr Erfolg oder Misserfolg hängt nicht von der Launenhaftigkeit des Schicksals ab, sondern davon, inwieweit sie ein hinreichend fruchtbares Gemüt kultiviert haben, damit die Samen der Selbsterkenntnis keimen können.

Damit Selbsterkenntnis Früchte hervorbringen und den Geist von Samsara befreien kann, muss der Schüler bestimmte Qualifikationen, bestimmte Geistesqualitäten besitzen.

Ob du Befreiung erlangst oder nicht, hängt davon ab, ob diese Qualifikationen vorhanden sind oder nicht.

Um im Leben etwas zu erreichen, benötigt man bestimmte Qualifikationen. Wenn du darüber nachdenkst, ergibt das durchaus Sinn.

Wenn du an der Universität ein bestimmtes Fach studieren möchtest, gibt es Zugangsvoraussetzungen. Ein Studium zu beginnen, ohne die notwendigen Qualifikationen und Grundlagen für dieses Fach zu besitzen, ist für jeden Zeitverschwendung. Du benötigst ein solides Fundament, auf dem du aufbauen kannst.

Wenn du einen Marathon laufen oder Berge besteigen willst, musst du in erster Linie die nötige Fitness und Ausdauer mitbringen. Um diese Qualifikation zu erlangen, musst du regelmäßig trainieren: Fitness, Krafttraining, gesunde Ernährung pflegen usw.

Vedanta ist da nicht anders. Damit die Lehre funktioniert, muss der Geist erst einmal vorbereitet werden.

Vedanta selbst ist eigentlich recht einfach. Man setzt sich hin, hört der Lehre zu, löst mit Hilfe eines Lehrers alle Zweifel auf und wendet sein Wissen auf das Gemüt an. Dann wirkt die dem Wissen innewohnende Magie so, wie das Einschalten eines Lichtes in einem abgedunkelten Raum automatisch die Dunkelheit vertreibt.

Der herausfordernde Teil besteht also darin, dafür zu sorgen, dass der Verstand qualifiziert ist (und bleibt). Ein reifer, verfeinerter, vorbereiteter Verstand ist absolut unerlässlich.


Die vier Hauptqualifikationen

In Tattva Bodha beschreibt Shankara vier Hauptqualifikationen.


1. Unterscheidungsfähigkeit (Viveka)

Unterscheidungsfähigkeit ist die Fähigkeit, zwischen dem Vergänglichen und dem Ewigen zu unterscheiden, ein gesundes Urteilsvermögen zu entwickeln und Entscheidungen zu treffen, die auf einem klaren Verständnis von Dharma und den entsprechenden Werten basieren.

Mangelndes Unterscheidungsvermögen hält dich in der Welt von Mithya, der Welt der sich ständig wandelnden Formen, gefangen. Dabei bist du dir des unveränderlichen Grundsubstrats, Satya bzw. des Selbst, nicht bewusst.

Dadurch, dass du Erscheinungen als wirklich ansiehst, bleibst du ein Opfer der ungezügelten Vorlieben und Abneigungen des Geistes und bist seinen Konditionierungen und niedersten Instinkten unterworfen. Wie eine Marionette bleibst du an den Zyklus von Verlangen, Anhaftung und Kummer in Samsara gefesselt. Wie wir gesehen haben, setzt dies den Geist außer Gefecht und macht Unterscheidung unmöglich. Auf diese Weise bleibt das Problem mit Samsara bestehen.

In „Vedanta: Das Gesamte Bild“ sagt Swami Paramarthananda:

„Unterscheidungsfähigkeit ermöglicht uns, die Grenzen des Strebens nach weltlichen Zielen als Mittel für Erfüllung zu erkennen und die Notwendigkeit einzusehen, stattdessen Moksha anzustreben. Mit Unterscheidungsfähigkeit können wir zwischen vergänglichen weltlichen Vergnügungen und dauerhafter spiritueller Befreiung, zwischen Illusion und Wahrheit, zwischen Unwissenheit und Wissen differenzieren. Unterscheidungsfähigkeit hält uns auf dem richtigen Pfad und ermöglicht uns, mit Klarheit zu sehen und uns über unser wahres Ziel im Klaren zu sein.“

2. Leidenschaftslosigkeit (Vairagya)

Leidenschaftslosigkeit ist die zweite Hauptqualifikation.

Ein klares Unterscheidungsvermögen führt auf natürliche Weise zu Leidenschaftslosigkeit in Bezug auf die Welt der Sinnesobjekte. Wenn du verstehst, dass alle Objekte vergänglich und nicht imstande sind, dauerhaftes Glück zu schenken, entwickelt sich allmählich eine leidenschaftslose Haltung. Anstatt sich an weltliche Dinge zu klammern, gibst du bindende Anhaftungen auf und lässt Dinge ohne erkennbaren Kummer oder Stress kommen und gehen.

Swami Paramarthananda führt das weiter aus:

„Wenn wir erkennen, dass unsere Anhaftung an weltliche Dinge nur eine Form von Unfreiheit ist, wird sie nicht länger unsere oberste Priorität im Leben sein. Bestimmte Dinge werden immer noch für unser Überleben benötigt, wie z. B. Geld, Nahrung und Unterkunft. Aber unser primäres Streben ist nun die Befreiung von der Abhängigkeit von Objekten, und dies wird nur durch die Selbsterkenntnis erreicht, was zu Moksha führt.“

Wie Ramana Maharshi sagte: „Lass kommen, was kommt, und lass gehen, was geht. Siehe, was bleibt.“


3. Sechsfacher innerer Reichtum (Shad Sampathi)

Die nächste Qualifikation bezieht sich auf Disziplin und besteht aus sechs Elementen.


1. Beherrschung des Geistes (Sama)

Zuerst musst du lernen, den Verstand und die Sinne zu kontrollieren. Solange du diese Fähigkeiten nicht beherrschst, bleibst du ihr Sklave. Anstatt dich blind von deinen Konditionierungen und Vasanas (der Neigung, vergangene Handlungen zu wiederholen) leiten zu lassen, lernst du, Stellung zu beziehen und die Kontrolle über deinen eigenen Verstand zu behalten. Dies ist das Kennzeichen eines reifen Menschen. Wie Swami Paramarthananda anmerkt, bedeutet dies nicht Verdrängen, sondern Sublimierung, indem „wir lernen, unsere Gedanken bewusst zu regulieren, zu kanalisieren und zu lenken, um Ängste, Stress und Depressionen zu vermeiden“. Der Geist ist dein primäres Werkzeug und muss auf angemessene und gesunde Weise konditioniert und genutzt werden - und zwar auf eine Weise, die im Einklang mit Dharma steht. Du allein entscheidest, wo dein Geist verweilt. Du hast die Macht, dich zu weigern, Gedanken und Wünsche zu hegen, die deiner Natur schaden und deine wahren Ziele und höchsten Ziele verdunkeln.

2. Beherrschung der Sinne (Dama)

Wenn du erst einmal den Geist beherrschst, dann hast du natürlich auch die Kontrolle über die Sinne, wie Sehen, Hören, Sprechen und so weiter. Das bedeutet, dass du nicht mehr Opfer von zwanghaften Begierden und Süchten und dem Bedürfnis bist, deine Sinne kontinuierlich zu füttern. Du fungierst eher als Torwächter deiner Sinne, als dass du sie davongallopieren lässt, denn das führt unweigerlich zu einem aufgewühlten oder abgestumpften Geist. Die Beherrschung der Sinne bedeutet, dass du deine Sinne in Bezug auf den Input als auch auf den Output selbstbestimmt lenkst.

3. Rückzug von Sinnesobjekten (Uparama)

Diese Qualifikation knüpft an die beiden vorherigen an. Die Fähigkeit, sich von Sinnesobjekten zurückzuziehen, ist ein wichtiger Teil der inneren Disziplin. Ein Gemüt, das ständig an weltlichen Objekten und Sinnesfreuden hängt, ist ein extrovertiertes Gemüt. Das kann ein großes Hindernis für das Streben nach Selbsterkenntnis sein. Du wirst nie die nötige Zeit, Energie oder Motivation haben, um nach Moksha zu streben, solange du auf weltliche Ziele, Wünsche und Vergnügungen fixiert bist. Diese Qualifikation ist mit Unterscheidungsfähigkeit und Leidenschaftslosigkeit verknüpft.

Wenn du gegenüber weltlichen Genüssen eine objektivere, leidenschaftslose Haltung einnimmst und dein wahres Ziel klar vor Augen hast, ist es leichter, den Geist davon loszulösen und zu verhindern, dass er von der Begierde nach Sinnesobjekten vereinnahmt wird. Indem du Verstand und Sinne bewusst lenkst, ziehen sie sich auf natürliche Weise von Sinnesobjekten zurück, so wie eine Schildkröte sich in ihren Panzer zurückzieht.

4. Geduld (Titiksha)

Geduld ist die Fähigkeit, die unvermeidlichen Stürme und Belastungen des Lebens zu überstehen. Wie Krishna in der Gita sagt, sind die Gegensätze des Lebens - die Dualitäten von Hitze und Kälte, Licht und Dunkelheit, Vergnügen und Schmerz, Lob und Kritik - unvermeidlich und müssen mit Gleichmut ertragen werden. Der qualifizierte Suchende akzeptiert die 'Nadelstiche des Lebens' einfach ohne Klagen und Drama. Auch diese Qualifikation wird durch die Kultivierung von Leidenschaftslosigkeit verstärkt.

5. Konzentration (Samadhana)

Die Fähigkeit, sich zu konzentrieren, ist ein wichtiger Bestandteil von Disziplin. Ohne einen beständigen Geist, der in der Lage ist, über die Lehren anhaltend zu reflektieren, wird Selbsterkenntnis nichts als ein abstraktes Konzept bleiben. Der engagierte Suchende hat einen auf einen Punkt gerichteten Geist und ein klares Ziel vor Augen. Durch seine Standhaftigkeit kann ihn nichts von seinem Weg abbringen.

6. Vertrauen (Shraddha)

Der letzte Aspekt von Disziplin ist Vertrauen. Vedanta ist herausfordernd. Es mag auf den ersten Blick wenig intuitiv erscheinen. Es widerspricht vielleicht jeder Annahme deines gesunden Menschenverstandes, die du bisher über dich und dein Leben hattest. Deshalb ist ein offener, forschender Geist notwendig, der bereit ist, den Worten der Lehren und des Lehrers zu vertrauen. Dies ist jedoch kein blinder Glaube. Es macht keinen Sinn, einfach die Worte einer äußeren Autorität zu akzeptieren, ohne die Möglichkeit zu haben, ihre Wahrheit für dich selbst zu überprüfen. Dies hat in der gesamten Menschheitsgeschichte zu enormen Katastrophen geführt. Hier, im Vedanta, ist dein Glaube nur provisorisch. Es ist solange Glaube, Vertrauen, bis die Ergebnisse deiner eigenen Untersuchungen und Erforschungen vorliegen.

4. Verlangen nach Befreiung (Mumukshutva)


Zu guter Letzt, kommt das Verlangen nach Befreiung. Es ist das, was Krishna als „Verlangen, das Dharma nicht entgegensteht“ bezeichnet.

Ohne den brennenden Wunsch nach Befreiung wirst du nicht die nötige Zeit und Energie aufwenden, um frei zu werden.

Es wird immer etwas Verlockenderes in der Welt der Objekte und Erfahrungen geben, nach dem du streben kannst.

Wenn du den Wert der Lehre nicht erkennst, wirst du weiterhin die Qualen von Samsara erleiden, während du endlos und vergeblich nach Glück und Beständigkeit in der Welt der Vergänglichkeit suchst.

Nur wenn du erkennst, dass Freiheit nur erreicht werden kann, wenn du diese Abhängigkeit von der Welt der Begrenztheit auflöst, wird dein intensives Verlangen nach Befreiung dir die notwendige Motivation geben, dich Vedanta hinzugeben.

Jede dieser Qualifikationen führt ganz natürlich zur nächsten.

Zuerst ist Unterscheidungsfähigkeit notwendig, denn mit Unterscheidungsfähigkeit sehen wir, dass, im Gegensatz zu begrenzten weltlichen Zielen, nur Moksha dauerhafte Erfüllung bringen kann.

Daraus erwächst Leidenschaftslosigkeit, die die Anhaftung an materielle Objekte vermindert. Erst können wir genügend Verlangen nach Befreiung kultivieren.

Dieses Verlangen liefert die nötige Motivation und Hingabe, um mit der Lehre zu arbeiten, bis das Wissen verinnerlicht und der Geist von den Fesseln Samsaras befreit ist.


Erhebe dich selbst durch dich selbst

Dies sind die Grundqualifikationen, die vorhanden sein müssen, damit die Selbsterkenntnis funktionieren kann.

Wenn du nichts anderes tust, als diese Qualitäten des Geistes zu kultivieren, wirst du faktisch ein glückliches und friedvolles Leben führen.

Der Mumukshu strebt jedoch nach mehr. Als Suchender nach Befreiung ist dein Ziel nichts Geringeres als die Befreiung von Samsara.

Menschen sind immer schnell dabei, auf die anderen, die Umstände, den Zustand der Welt oder sogar auf die Hand des Schicksals als Quelle ihrer Probleme zu verweisen. Aber in Wahrheit ist der Feind stets näher beheimatet.

Auch wenn wir zu der Annahme neigen, dass unsere Probleme da draußen in der Welt liegen, ist Samsara kein äußerer Kampf. Krishna macht deutlich, dass es ein Krieg gegen die Unwissenheit und das Schlachtfeld der menschliche Geist ist: „Der Verstand allein kann dein größter Trumpf, oder er kann dein schlimmster Feind sein.“

Der Schlüssel zur Freiheit ist daher die Beherrschung deines Verstandes. Er liegt darin, dafür zu sorgen, dass der Verstand für und nicht gegen dich arbeitet. Um dies zu tun, musst du dich „durch dich selbst emporheben“.

Einige spirituelle Sucher haben die unglückliche Tendenz, sich für ihre Befreiung an andere zu wenden, sei es in Form eines charismatischen Gurus, Internet-Evangelisten, Verschwörungstheorien, einer Kirche, Gemeinschaft oder vielleicht sogar einer Sekte.

Da sie zu Trägheit und magischem Denken neigen, wollen die eher tamasischen Suchenden nicht selbst denken und unterscheiden müssen, geschweige denn lernen, ihren Verstand und ihre Sinne zu kontrollieren.

Solch ein Mensch wird nach jemandem suchen, der für ihn denkt - und jeder, der selbstbewusst und charismatisch genug ist, wird dies auch für ihn tun. Ganz wie ein Baby in den Armen seiner Mutter macht er sich für seinen Lebensunterhalt und seine Befreiung völlig von diesem Menschen abhängig.

Dies führt jedoch niemals zur Befreiung, sondern nur zu größerer Unfreiheit.

Niemand anderes kann dich jemals befreien. Krishna macht deutlich, dass du und nur du allein die Verantwortung für deine eigene Befreiung übernehmen musst.

Wenn du nicht zum Herrn deines Körper-Geist-Ego-Systems wirst, wirst du immer seine Geisel sein.

Der wahre Feind sitzt innen.

Solange der ungebändigte Geist nicht bezwungen ist, bleibt Moksha unerreichbar.


Karma-Yoga

Wie also erreichst du diese Qualifikationen? Vedanta lässt dich nicht einfach im Regen stehen, sondern vermittelt eine Reihe spirituelle Praktiken (Sadhanas), die zu einem ausgeglichenen, gefestigten und qualifizierten Geist verhelfen.

Über das wichtigste Werkzeug, Karma-Yoga, habe ich bereits ausführlich geschrieben.

Die Essenz von Karma-Yoga ist das Verständnis, dass man zwar das Recht zum Handeln, aber keine Kontrolle über die Früchte dieser Handlungen hat. Sobald du den Pfeil abgeschossen hast, hast du keinen Einfluss mehr darauf, ob er das gewünschte Ziel trifft.

Wenn du Karma-Yoga praktizierst, kultivierst du ein ruhiges, stabiles, friedliches Gemüt, ein zur Kontemplation fähiges Gemüt. Dein Glück hängt nicht mehr davon ab, ob es nach deinem Willen geht. Denn schließlich kann niemand dauerhaften Erfolg im Leben erwarten.

Die Ergebnisse des Handelns sind immer unvorhersehbar. Dein Glück auf unvorhersehbare Faktoren zu gründen, bedeutet, ein Leben voller Angst, Frustration und Unglücklich sein herbeizuführen.

Ein materialistischer, ergebnisorientierter Verstand ist immer enormen Ängsten, Stress und Anspannung ausgesetzt. Aus diesem Grund definiert Swami Paramarthanada wahren Erfolg als die Fähigkeit, sowohl Erfolg als auch Misserfolg mit einem ausgeglichenen Geist zu begegnen.

Das Handeln des Samsari, der sein Glück in äußeren Objekten und Erfahrungen sucht, wird von seinen Vorlieben und Abneigungen bestimmt und erfolgt mit Anhaftung an die Ergebnisse.

Der Karma-Yogi hingegen wird nicht mehr von dem Wunsch getrieben, bestimmte materielle Ziele zu erreichen.

Als Karma-Yogi ist dein primäres Ziel Moksha, Freiheit von der emotionalen Abhängigkeit von Objekten.

Du handelst nicht mehr gemäß deiner Vorlieben und Abneigungen, sondern in Übereinstimmung mit Dharma.

Du tust, was zu tun ist, wenn es zu tun ist, und bietest jede Handlung dem Selbst mit einer Haltung der Dankbarkeit und Hingabe an. Dann akzeptierst du jedes Ergebnis als legitim und richtig. Du nimmst jedes Ergebnis als Prasada, als göttliches Geschenk, an.

Das Leben im Geist von Dharma und Karma-Yoga ist der ultimative Stresslöser. Trauer wegen der Vergangenheit und Angst vor der Zukunft schmelzen dahin, wenn du aufhörst, dein Leben nur für dich selbst zu leben, sondern als ein Geschenk an das Göttliche.

Als nach Befreiung Suchender ist dies dein primäres Sadhana (spirituelle Praxis). Indem du in Übereinstimmung mit Dharma und mit Karma-Yoga-Mentalität handelst, werden die bindenden Vasanas nach und nach zu nichtbindenden verwandelt. Dies reinigt den Geist, reduziert den psychologischen Druck von nach außen gerichteten Wünschen und Abneigungen und macht den Geist durch Verinnerlichen der Selbsterkenntnis bereit für die Befreiung.

Wie Krishna sagt:

„Ohne einen friedvollen, beständigen Geist ist die Kontemplation über das Selbst unmöglich und die Freiheit schwer zu erreichen. Ohne die Fähigkeit zur Kontemplation gibt es keinen Frieden. Wie kann es Glück ohne Frieden geben?“

Im zweiten Kapitel der Gita beschreibt Krishna Karma-Yoga etwas ausführlicher:

„Man hat Erfolg, wenn man seine Pflicht mit Karma-Yoga-Haltung erfüllt. Handlungen, die durch Wünsche oder Ängste bezüglich möglicher Ergebnisse begründet sind, werden immer Elend verursachen. Darum suche Zuflucht in diesem Wissen. Gib dich dem Selbst hin, und lass jede Handlung eine Form freudiger Anbetung sein und alle Sorge um das Ergebnis los. Wenn du dies tust, wirst du dich von den Fesseln des Handelns befreien und dein Geist wird mühelos Befreiung erlangen.“

„Ein Leben in Karma-Yoga erzeugt ein friedliches Herz und vertreibt die Verblendungen des Geistes. Man wird leidenschaftslos gegenüber den Dingen dieser Welt, die alle von allein kommen und gehen. Nicht mehr auf die Sinnesobjekte fixiert, wird das Gemüt heiter und beständig, und es kommt in der Kontemplation des eigenen Selbst zur Ruhe. In Selbsterkenntnis verankert zu sein, ist das Tor zur Befreiung.“



Vedanta bietet noch andere Werkzeuge zur Klärung des Geistes, wie zum Beispiel Meditation, das Kultivieren einer hingebungsvollen Geisteshaltung und das Verstehen der drei Gunas. Das Hauptmittel für die meisten Suchenden ist jedoch Karma-Yoga, auf das wir im nächsten Artikel näher eingehen werden.